Baréz und Schuster Architekten Ingenieure Sachverständige
Baréz und Schuster Architekten Ingenieure Sachverständige

Wohnungsbau Sennefelder Straße, Leimen

Leitidee: modular – effizient - nachhaltig
Wir gliedern das Gebäudevolumen entsprechend der funktionalen Anforderungen in einen „warmen“ und einen „kalten“ Gebäudeteil. Den optimal wärmegedämmten Hauptbaukörper mit den modular konzipierten Wohnungen positionieren wir als kompakten viergeschossiger Riegel von der Straße abgerückt an der östlichen Grundstücksgrenze. Die vorgelagerte und thermisch getrennte Erschließungszone mit Treppenhauskern und geschossweise zugeordneten Kellerersatzräumen schirmt die Wohnbereiche ab. Durch die Aufständerung im Erdgeschoss entsteht ein großzügiges und witterungsgeschütztes Entree sowie Platz zum informellen Treffen.
Vertikale und horizontale Staffelungen reagieren sinnvoll auf den unregelmäßigen Grundstückszuschnitt und die erforderlichen Abstandsflächen. So wird das Ziel einer aus wirtschaftlichen und energetischen Gründen gewünschten Kompaktheit des Baukörpers mit dem Ziel einer optimalen Grundstücksausnutzung in Übereinstimmung gebracht.
Ein Teil der notwendigen Stellplätze wird als Gemeinschaftsanlage auf Flurstück 5932 vorgesehen. Dieser Flächenanteil von ca. 200 m² ist gem. §21a BauNVO der Grundstücksfläche hinzuzurechnen, so dass bebauungsplankonform eine Geschossfläche von ca. 2.000 m² in vier Vollgeschossen realisiert werden kann. Das Staffelgeschoss ist als Nicht-Vollgeschoss bei der Ermittlung der GFZ nicht zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die kostengünstige Errichtung und die Lage des Baugrundstücks im Überschwemmungsgebiet wird auf eine Unterkellerung vollständig verzichtet.
 
Nachhaltigkeit
Die modulare Typologie ermöglicht eine wirtschaftliche und nachhaltige Umsetzung mit hohem Vorfertigungsgrad und gewährleistet eine sortenreine Bauart in geschlossenen Stoffkreisläufen mit einem sehr hohen Anteil an nachwachsenden Baustoffen und Recyclingmaterialien. Sie ist reparaturfähig, flexibel und anpassungsfähig.
Die begrünten Retensionsdächer zur Rückhaltung und Speicherung von Regenwasser unterstützen die Tröpfchenbewässerung der Fassadenbegrünung. Fassaden- und Dachbegrünung verbessern das Stadtklima und erhöhen die Lebensqualität. Sie unterstützen die Biodiversität, wirken als natürliche Staubfilter, verbessern durch Verschattung und Verdunstung das Mikroklima signifikant und steigern das Wohlbefinden der Nutzer. So wird die Gebäudehülle nutzbar gemacht als Teil des urbanen Ökosystems.
 
Konstruktion
Das Gebäude kombiniert die Vorteile verschiedener Bauweisen aus den Bereichen Industriebau (Stahlbetonskelett mit aussteifendem Kern, optimaler Brand- und Schallschutz) und des Holzbaus (vorgefertigte Holzrahmenelemente, sehr guter Wärmeschutz).
Die wirtschaftliche Spannweite von 3,6 Metern ermöglicht eine Ausführung in unterschiedlicher Materialität und unterschiedlichem Vorfertigungsgrad von Tafeln (Wand-, Decke, Boden) bis zu komplett werkseitig hergestellten Modulen aus Holz oder Stahlbeton. Die Außenwände des erdberührten Geschosses werden mit vorgefertigten Stahlbeton-Sandwichelementen aus Recyclingbeton massiv und robust gegen mechanische Einwirkungen und Feuchtigkeit ausgeführt. Die Tragkonstruktion der Obergeschosse erfolgt mit vorgefertigten Modulen aus Holz oder Recyclingbeton. Der Grad der Vorfertigung und auch die letztliche Entscheidung über den Werkstoff der Tragstruktur (Holz, Holz-Hybrid oder Recyclingbeton) wird von der Verfügbarkeit der Materialien und der aktuell sehr volatilen Preisentwicklung abhängen.
Das System ermöglicht schalltechnisch günstige zweischalige Wohnungstrennwände bei statisch optimierten geringen Gesamtwandstärken. Die werkseitigen und glatten Wand- und Deckenoberflächen können materialsichtig (Holz gehobelt oder Beton glatt geschalt) verbleiben, nur gestrichen oder tapeziert werden. Nichttragende Innenwände sind in Trockenbau vorgesehen.
Die Außenwände der Obergeschosse werden mit einer hinterlüfteten und vorvergrauten Nadelholzschalung bekleidet. Der einmalige werkseitige Anstrich mit einer silbergrau pigmentierten Lasur greift der natürlichen witterungsbedingten Vergrauung des unbehandelten Holzes vor und sorgt dauerhaft für ein gleichmäßiges silbergraues Erscheinungsbild der Fassade in bewitterten und unbewitterten Bereichen. Die Dämmung erfolgt, wo möglich, mit Holzwerkstoffen. Eine geschossweise Abschottung der Hinterlüftungsebene der vorgehängten Fassaden verhindert im Brandfall ein Übergreifen der Flammen wirksam.
Die teilweise offene Erschließungsstruktur aus Stahlbetonfertigteilen mit schlanken Stahlstützen (aus Gründen des Brandschutzes ausbetoniert oder mit einer Brandschutzschale versehen) wird vor Ort aus Fertigteilen gefügt, verbleibt ebenfalls in den werkseitig hergestellten robusten Oberflächen und erhält lediglich partiell einen Anstrich. Diese Struktur ist konstruktiv, thermisch, und schalltechnisch komplett von den Wohnungen entkoppelt und wird durch den möglichen künftigen Aufzugsschacht ausgesteift.
Die Systematisierung der Planung und Ausnutzung der wirtschaftlichen Potentiale modularen Bauens minimiert den Materialeinsatz und die Baukosten und verbessert dazu Planungs-, Termin- und Kostenkontrolle gegen über traditioneller Bauweise. Letztlich führt die kürzere Bauzeit auch zu einer geringeren Belastung der Umgebung.
 
Erschließung
Die wirtschaftliche Erschließung aller Wohnungen erfolgt über ein zentrales Treppenhaus mit der Möglichkeit zum nachträglichen Einbau eines barrierefreien Aufzugs. Der Erschließungsflur im zweihüftigen Gebäudeteil wird mit dem durch einen „grünen Vorhang“ geschützten Laubengang zu einem durchgehenden linearen Erschließungselement verbunden. Die ausreichend breite Erschließung ermöglicht bei Nachinstallation eines Aufzugs barrierefreie bzw. barrierearme Wohnungen in allen Geschossen.
Die Eingangsbereiche der Wohnungen sind etwas zurück gesetzt, sodass trotz der optimierten Erschließungssituation kleine private Vorzonen entstehen.
 
Wohnungen
Auf einem einheitlichen Raster von 3,6 m werden vielfältige Grundrisse konzipiert, die durch das modulare Konzept und die Badzone mit Versorgungsschacht flexibel kombiniert werden können. Der Wohnungsmix umfasst Ein-, Zwei- und Dreizimmerwohnungen unterschiedlicher Größe und Zuschnitte. Der Wohnungskatalog bietet großzügige offene Grundrisse und Wohnungen mit „klassischem“ Zuschnitt mit separat erschlossenen Küchen, Wohn- und Schlafzimmern an, alternativ können die Wohnungen barrierefrei oder nur barrierearm geplant werden.
Alle Grundrisse sind gegliedert in Funktionsbereich (Erschließung, Küche, Bad/WC) und Aufenthaltsbereich (Schlafen, Zimmer, Wohnen/Essen). Alle Wohnungen sind nach zwei bzw. drei Seiten orientiert und somit sehr gut belichtet und belüftbar und jeder Wohnung ist ein individueller Freisitz zugeordnet. Wohn- und Schlafzimmer liegen auf der Ostseite, geschützt vor Einblicken, da nach Einstellung der Klinkerproduktion der HeidelbergCement AG Anfang 2023 die Stilllegung bzw. Demontage der Transportseilbahn erfolgen wird. Die ebenerdigen Wohnungen sind von der Senefelder Straße zurück gesetzt und vor Einblick geschützt.
Alle Wohnungen sind mit bodengleichen Duschen ausgestattet, die Bäder erhalten überwiegend Tageslicht. Ein Abstellraum in jeder Wohnung bietet Stauraum. Zusätzlich ist jeder Wohnung ein großzügiger Abstellraum auf dem Geschoss zugeordnet.
 
Energie und Technik:
Dauerhaftigkeit durch Robustheit der Konstruktion in Kombination mit einfachen und erprobten technischen Komponenten bildet die Basis eines ganzheitlichen nachhaltigen Designs. Das Energiekonzept nutzt wirksam die vor Ort vorhandenen Energiepotentiale. Niedrige Lasten durch kompakte Bauweise und optimierte Wärmedämmung der Gebäudehülle und die dadurch mögliche Wahl einer Niedertemperatur-Flächenheizung (FB-Hzg.) sind Grundlage des LowEx-Versorgungskonzepts.
Die Heizenergie wird über Erdwärmekollektoren mittels einer effektiven Wasser/Wasser – Wärmepumpe gewonnen. Die Anordnung der Kollektorflächen erfolgt als effektiver und wirtschaftlicher Ringgrabenkollektor in den nicht überbaubaren langgestreckten Grundstücksbereichen entlang der Grundstücksgrenzen. (Über einen flächiger Kollektorbereich unterhalb Bodenplatte wird das Erdreich durch gezielten Wärmeeintrag im Sommer zusätzlich als Wärmespeicher aktiviert).
Die nutzerunabhängige Sicherstellung des hygienisch notwendigen Mindestluftwechsels erfolgt über eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung. Diese ist zur Erreichung des - auch im Hinblick auf die aktuell absehbaren Förderbedingungen – angestrebten Effizienzhausstandards (ähnlich Effizienzhaus 40 plus oder besser) unabdingbar. Die Einbringung der Zuluft erfolgt über Nachströmöffnungen an den Fassaden, die Abluft wird in Bädern und Küchen über die vertikalen Installationsschächte zentral abgesaugt. Die Aggregate sind auf der Dachfläche installiert. Hier sind zudem die Kollektorflächen für die WW-Erzeugung angeordnet sowie großflächige Photovoltaikflächen für die Versorgung der technischen Systeme des Gebäudes.
Die Kühlwirkung des Gründaches erhöht die Leistung der Photovoltaik. Das Klimadesign wird vervollständigt durch die Regenwasserrückhaltung des Gründaches, welche auch der Tröpfchenbewässerung der Fassadenbegrünung dient
Die intensive Begrünung im Bereich des Laubengangs wächst an Vertikalseilen nach oben, dient als grüner Filter und unterstützt den sommerlichen Wärmeschutz durch Schatten und Verdunstungskühlung, Laubengänge und Balkone dienen als weit auskragender Sonnenschutz im Sommer. In Kombination mit einem leichten Sonnenschutzglas (g-Wert 0,37) werden sehr gute sommerliche Verhältnisse geschaffen. Das einfache Lüftungssystem fördert im Sommer die Nachtauskühlung. So kann auf mechanisch oder elektrisch betriebene Sonnenschutz- und Verdunkelungseinrichtungen verzichtet werden.
Die Kombination passiver und aktiver Maßnahmen unter Einsatz erprobter und marktgängiger Komponenten schafft ein einfaches und haltbares Gesamtsystem im Sinne der Nachhaltigkeit. Das Gebäude benötigt nur die Energie, die es aus nachhaltigen Quellen vor Ort selbst erzeugt

Projekt-Daten